Jakob Mayr
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Was ist lesbar, was ist leserlich?
Typografie ist mehr als nur gute Schrift – sie erfordert eine Balance aus Lesbarkeit, Leserlichkeit und dem Einfühlungsvermögen in Inhalte, Formate und die Zielgruppe.
Typografie ist die Gestaltung mit Schrift. Der bekannte Typograf Jan Tschichold definiert 1960 zwei Qualitätskriterien von Typografie: »richtige« Anordnung von Schrift und die Wahl von »guter« Schrift.¹ Heute würde man die Kriterien vielleicht etwas neutraler, mit den Begriffen »Lesbarkeit« und »Leserlichkeit« beschreiben, so etwa in der 2013 aktualisierten Norm DIN 1450:
Lesbarkeit bedeutet »Eigenschaft leserlich angeordneter Zeichenfolgen, die es ermöglicht, die Information zweifelsfrei zu verstehen«.¹
Hier spielen Aspekte des Satzes, also der Anordnung von Buchstaben, Sätzen und Absätzen in Relation zu einander und zum Hintergrund eine Rolle.
Leserlichkeit bedeutet »Eigenschaft einer Folge [von] Zeichen, die es ermöglicht, diese Zeichen im Zusammenhang zu erfassen«.²
Hier spielt die Schriftgestaltung, eine Rolle, also die Form der Buchstaben, wie gut sie zu erkennen und zu unterscheiden sind.
Sowohl bei der etwas dogmatisch anmutenden Definition von Tschichold als auch der DIN-Norm, könnte bei oberflächlichem Lesen der Eindruck entstehen, dass man eigentlich nur die Qualitätskriterien für die Erreichung dieses Idealzustand für Satz und Schrift eindeutig definiert werden müssten, um eine objektiv beste Typografie für alle Anwendungen zu erreichen. Also ein starres und universelles Resultat, nach dem keine weiteren Entscheidungen beim Satz von Texten notwendig sind.
In beiden Fällen wird aber klar, dass eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle spielen, die je nach Gewichtung unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen: Verschiedene Formate und Medientypen und Textstruktur und damit verbundene Lesearten³, verlangen nach einen unterschiedlichen Umgang mit Typografie. Auch der Inhalt von Texten, Textsorten, die erwartete Leser·innenschaft, und andere Kontexte wollen berücksichtigt werden. So bleibt weiterhin der Bedarf nach Abwägungen und Entscheidungen.
Quellen und Zitate
¹ Jan Tschichold: Erfreuliche Drucksachen durch gute Typografie, Ravensburg, Otto Maier Verlag, 1960, S.18ff.
² vgl.: DIN 1450 »Schriften – Leserlichkeit«, Ausgabe April 2013
³ Nachzulesen bei: Hans Peter Willberg, Friedrich Forssman, Lesetypografie, Mainz 1997