Jakob Mayr

31. Jänner 2025

31. Jänner 2025

Die Entstehung von Anita Sans.

Durch die Synthese von wissenschaftlichen Erkenntnissen und gestalterischer Expertise setzt Anita Sans neue Maßstäbe in Lesbarkeit, Anpassungsfähigkeit und typografischem Design.

Als Grafikdesigner mit einem Fokus auf typografische Gestaltung, beschäftige ich mich täglich mit Fragen der jeweils passende Anwendung von Schrift. Typografie kann vieles leisten: Aufmerksam machen, informieren, Orientierung geben. Verschiedene Arten von Text brauchen spezielle Behandlung der Typografie.

Wenn wir fortlaufende Texte lesen, nennen wir dies »lineares Lesen«.¹ Dabei ist es wichtig, dass über längeres Lesen ein komfortables Leseerlebnis bietet, das nicht ermüdet.

Als Fabian Draxl seine Idee für Anita zu realisieren begann, tauschten wir uns immer wieder über die Rahmenbedingungen für ein gutes Leseerlebnis fortlaufender Texte aus. Ich übernahm die Recherche dazu, wie die Gestaltung von Schrift dazu beitragen kann. Eine eigene Schrift für Anita sollte die Synthese dieser Entdeckungen sein. Schnell wurde klar, dass für dieses ambitionierte Unterfangen keine starre Lösung in Frage kommt. 

Die Lektüre wissenschaftlicher Studien hat unsere Erfahrung aus der Praxis bestätigt, dass jene Schriften, die mit dem Anspruch auftreten, besondere Leseanforderungen (etwa Legasthenie) einfach zu lösen, diesen Behauptungen nicht gerecht werden können. Welche Erkenntnisse sich daraus für Anita ergeben haben, ist nachzulesen im Artikel Schriften als Wunderwaffe?

Leserliche und lesbare Typografie ist eine komplexe Angelegenheit, bei der sowohl die Gestaltung der Schrift eine Rolle spielt, als auch die Gestaltung des Textes, des sogenannten typografische Satzes. Im Artikel Was ist lesbar, was ist leserlich? gehen wir darauf ein. Wenn dazu noch individuelle Anforderungen des Lesens berücksichtigt werden, verlangt das nach einer individuell variablen Lösung.

Das Lesetool von Anita nutzt eine Vielzahl an Variablen der Makrotypografie (also des Satzes), um für jede Lesesituation und die individuelle Bedürfnisse, Devices und Gewohnheiten die Parameter speziell abzustimmen. Somit war ein ähnliche Offenheit in der Gestaltung der Schrift nahe liegend.

Zusammen mit dem Schriftgestalter David Einwaller werteten wir die Ergebnisse der Recherche aus. In Auswertung historischer Beispiele der Schriftgestaltung und Ergebnissen von Studien suchten wir nach den Kriterien für unsere Schrift. Dann übersetzten wir die bisherigen Erkenntnisse in Parameter und umrissen die ersten formalen Ideen in Skizzen.

Im Artikel Was ist ein dynamisches Formprinzip? ist nachzulesen, welche Prinzipien der Schriftgestaltung sich als besonders geeignet erwiesen und damit Einfluss auf die Schriftgestaltung von Anita genommen haben. Im Artikel Symmetrie gehen wir darauf ein, welche Rolle die symmetrischen Verwechslung von Buchstaben spielt, die oft bei Legasthenie-Schriften als zu lösendes Problem angeführt wird und warum wir diesem Faktor weniger Gewicht gegeben haben. Der Artikel zu den  Buchstabenzwischenräumen gibt Einblick in die Tatsache, dass wir nicht nur die Buchstaben lesen, sondern auch die Räume dazwischen. Der Artikel Rhythmus und »Visual Stress« beschreibt, wie ein heterogener Rhythmus der Buchstabenstämme Überforderung beim Lesen vermindern können. Der Artikel Lesen am Bildschirm zeigt, wie eine variable Schrift auf die Besonderheiten von Licht und Kontrast am Bildschirm reagieren kann. All diese Erkenntnisse flossen schließlich in die Gestaltung der Schrift ein. Im Artikel Resultate aus der Forschung fassen wir diese noch einmal zusammen, in Hinblick auf das konkrete Ergebnis, der Schrift »Anita Sans«.

Quellen und Zitate

¹ Eine übersichtliche Auflistung der verschiedenen Arten des Lesens ist hier zu finden: Hans Peter Willberg, Friedrich Forssman, Lesetypografie, Mainz 1997