Warum der Aperol-Hype einfach
nicht nachlässt.
Ob als Abwandlung mit Tequila, in Kuchen oder als Nagellack, der Appetit nach dem italienischen Likör ist ungebremst. Hersteller Campari verdoppelt sogar die Produktion.
Wie am Fliessband wird Aperol an warmen Tagen zubereitet und ausgeschenkt. Es ist fast ein Naturgesetz: Sobald die Temperaturen auf über 20 Grad steigen, schwärmen die Menschen in die Schanigärten und bestellen einen Aperol-Spritz. Vielleicht auch ein Bier oder eine Mischung, aber häufig Aperol. Denn er erinnert an die sehnsüchtig vermissten Sommermonate, die Urlaube in Bella Italia, die lustigen Afterwork-Treffen mit Freunden. Romantisch ausgedrückt: Selten steht ein Getränk so sehr für Freizeit wie der orange Likör.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da galt Aperol zu bestellen fast schon als uncool. In den 2010er-Jahren geriet die Kombi mit Wein oder Prosecco hierzulande etwas außer Mode. Einen Aperol-Spritzer, das bestellen nur die unbedarften und durchschnittlichen Leute, so das Gefühl. Barlegende Charles Schumann von der gleichnamigen Bar in München beschwor sogar den Untergang des Getränks herauf, denn ein neuer Trend lief dem spritzigen Klassiker den Rang ab: der Hugo. Er sollte sich täuschen. Ein paar Sommer später fehlt vom Hugo auf den Getränkekarten jegliche Spur, der Aperol-Spritzer dagegen erlebt ein neues Momentum. In den Lokalen und Schanigärten wird er von der Omi bis zum Gen-Z-Enby geschlürft, auf Social Media finden sich Rezepte und Inszenierungen mit dem Getränk aus Italien. Genau dort kann man auch den Ursprung der aufgeflammten Aperol-Liebe festmachen: im Internet.
Ein Drink für das Netz
Die Covid-Pandemie hat auch hier ihre Finger im Spiel: Als sich der Konsum in die Wohnzimmer verlagerte, veröffentlichte Aperol-Hersteller Campari Youtube-Videos, wie man zu Hause den perfekten Aperol-Spritz zubereitet: ein Glas mit Eiswürfeln, drei Teile Prosecco 9 cl, zwei Teile Aperol 6 cl, ein Teil Sodawasser 3 cl) und eine halbe Orangenscheibe.
Die Zubereitungsanleitung war erst der Anfang des viralen Einflusses. In den folgenden Jahren wurden Social-Media-Kanäle wie Instagram und Tiktok von Beiträgen mit dem Hashtag #Aperol und #AperolSpritz überschwemmt. Auf Instagram finden sich mehr als zwei Millionen Postings, auf Tiktok werden Videos unter dem Aperol-Namen hunderttausendfach aufgerufen. Das hat natürlich auch mit der enormen Fotogenität des Getränks selbst zu tun. Ein bauchiges Glas, gefüllt mit Eiswürfel und einer leuchtenden Flüssigkeit, schaut auf Fotos und in Videos einfach nur gut aus.
Die Signalfarbe Orange ist dazu als Alleinstellungsmerkmal unter den alkoholischen Getränken nur von Vorteil. Man weiß sofort, es handelt sich um Aperol. Und das löst in Lokalen schon mal eine Kettenreaktion aus: Am Nebentisch bestellt jemand einen Aperol-Spritzer, und plötzlich bekommt man selbst einen Gusto drauf. Es schaut ja nicht nur gut aus, es schmeckt auch. Die Marketingabteilung von Campari hat dadurch leichtes Spiel, Aperol online wie im echten Leben zu vermarkten und das Getränk noch beliebter zu machen. Einen regelrechten Push gab es vonseiten des Unternehmens 2017, wie die New York Times berichtet, um den US-amerikanischen Markt zu erobern. Seither bestellen auch die Amis ihren Spritz.
Der Hype kennt seitdem keine Grenzen. Unter den erwähnten Social-Media-Beiträgen finden sich nicht nur glückliche Menschen, die ihre vollen Aperol-Gläser posten oder irgendwo damit am Strand liegen. Etliche Rezepte mit Aperol und Abwandlungen des Getränks finden sich darunter. Der Frozen Aperol Spritz zum Beispiel, der in Richtung Granita geht und bereits im STANDARD ausprobiert wurde. Im vergangenen Winter ging eine winterliche Version des Spritz-Getränks viral: Cranberry und Zimt kommen da in den Drink. Für diesen Sommer haben einige Medien dann den Aperol Paloma als Trendgetränk prophezeit, der ohne Prosecco und Wasser, stattdessen mit Tequila und Grapefruitsaft zubereitet wird. Andere Rezepte verwandeln den Likör sogar zu Essbarem und verarbeiten ihn in allerlei Kuchen und Torten. Sogar in die Mode hat es der Aperol geschafft: Nägel sollen in diesem Sommer im Aperol-Orange lackiert werden. Damit man auf den Instagram-Postings noch besser zum Getränk passt.
Aperol übernimmt die Welt
Der Aperol-Trend geht auch an Hersteller Campari nicht spurlos vorbei. Seit 2003 sind die Italiener im Besitz der Marke Aperol. Nun wurde eine neue Abfüllanlage eröffnet, um die Aperol-Produktion zu verdoppeln. 100 Millionen Flaschen mehr sollen hier pro Jahr abgefüllt werden, berichtet die Faz. Aperol, der aus Rhabarber, Chinarinde, gelbem Enzian, Bitterorange und aromatischen Kräutern zubereitet wird, wurde 1919 in Padua erfunden. Über hundert Jahre später ist der italienische, orange Likör ein popkulturelles Phänomen, dessen Hype noch lange bestehen wird.
(Kevin Recher, 8.5.2024)
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